Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen, IZI

Ausgabe: 13/2000/2 - TEXTAUSZUG:


Katja Hofem-Best

"Bravo TV" –

Eine Jugendsendung zwischen
Dr. Sommer und Britney Spears


Das Interesse vieler Jugendlicher an Stars und Musik im Fernsehen scheint konstant; die Zeit der "Aufklärung" ist offensichtlich vorbei.

Seit 1993 ist "Bravo TV" die Jugendsendung im deutschen Fernsehen. Vor 7 Jahren wagte die Zeitschrift, die zum Synonym für die Jugend- und Popkultur des Landes geworden ist, den Sprung ins Fernsehen. Direkt nach dem Start schalteten bereits durchschnittlich 18% der jungen Frauen und 10,5% der jungen Männer zwischen 14 und 19 Jahren die wöchentliche Sendung bei RTL II ein. Seit 1993 erreichte die Sendung "Bravo TV" einen überdurchschnittlich hohen Bekanntheitsgrad und entwickelte sich zum Trendsetter der jungen Zuschauer – 84% der Kernzielgruppe der 14- bis 19-Jährigen hatten seit dem Sendestart 1993 Kontakt mit "Bravo TV".
Inhaltlich orientierte sich "Bravo TV" im Laufe seiner Karriere ständig an den Bedürfnissen und Interessen der jungen Zielgruppe – mit der Folge, dass sich das Themenspektrum sowie die Moderatorinnen im Lauf der Zeit stark gewandelt haben.

Kristiane Backer

Erste Moderatorin wurde die deutsche MTV Frontfrau Kristiane Backer, damals die Vorreiterin und Expertin in Sachen Jugendkultur. Für viele Jugendliche war sie ein Idol, da sie beim angesagten Musiksender MTV als erste deutsche Moderatorin Karriere machte. In 117 Sendungen entführte die gebürtige Hamburgerin aus ihrem Londoner Studio jeden Sonntag Nachmittag die Kids in die aufregende Welt der Stars.
Die Inhalte orientierten sich an den Interessen der Teens im Jahre 1993, die in der deutschen Fernsehlandschaft noch ohne VIVA und dem erst seit kurzem über Kabel empfangbaren MTV einen großen Wissensdurst nach Starnews und Videoclips hatten. Diese Themen nahmen den überwiegenden Teil der Sendezeit in Anspruch und orientierten sich am Konzept der Zeitschrift "Bravo".

Heike Makatsch

Mit der Übernahme der Sendung durch die 24-jährige Heike Makatsch im August 1995 war das erste "Bravo Girl" geboren. Die Zuschauer honorierten die neue Moderatorin und ihre unkonventionelle Art, die zur Vorreiterin einer neuen Jugendbewegung unter den weiblichen Zuschauern wurde und ein neues Image prägte: das Girlie. Mit Heike Makatsch übernahm eine sehr authentische Persönlichkeit, das Mädchen von nebenan, die Sendung. Der Start von Heike brachte ein neues, futuristisch-spacig gestyltes Studio. Auch inhaltlich veränderte sich die Sendung: nicht mehr nur die Stars standen im Mittelpunkt, sondern auch die Probleme der Jugendlichen, die im "Dr. Sommer Team" besprochen und gelöst wurden.
Die Moderatorin wurde von da an zur Begleiterin, zur authentischen Freundin der jungen Zuschauer und zur Identifikationsfigur. Die Fanpost verdoppelte sich und machte deutlich, wie wichtig die Moderatorin zu dieser Zeit vor allem für die weiblichen Zuschauer war.

Jasmin Gerat

Ein Jahr später wurde das "Zepter" bereits an Jasmin Gerat weitergereicht. Die 17-jährige Gewinnerin des Titels "Bravo Girl 1994", prägte die Sendung mit ihren frechen Sprüchen. Wiederum ging mit der Moderatorin ein Wandel durch die Sendung:
Die Sendung wird noch spritziger und greift auch mal heikle Themen an. Das Jahr 1996 ist für "Bravo TV" das erfolgreichste in seiner Sendergeschichte: mit einem Marktanteil von 24,4% unter den 10- bis 15-Jährigen konnten sich die Zahlen um über 5% im Vergleich zum Vorjahr steigern.

Lori Stern

Im August 1997 übernimmt mit Lori Stern eine Moderatorin das Ruder, die direkt aus der Welt der Stars und der Musik kommt: sie war vor und auch während ihrer Moderation als Frontfrau der Gruppe "Squeezer" in der Popszene zu Hause. Doch hier ist zum ersten Mal ein Akzeptanzverlust unter den Zuschauern zu spüren – die Moderatorin erreicht nicht wie ihre Vorgängerinnen "Kultstatus" und wird nicht zuletzt deswegen im November 1998 von gleich drei Moderatoren abgelöst.

Veränderung der Programmstruktur

Die neue Dreiteilung der Sendung markiert die radikalste redaktionelle Veränderung des Sendungskonzeptes seit Bestehen. Dadurch sollte den unterschiedlichen Interessen der jungen Zuschauer Rechnung getragen werden. Nicht mehr eine lange Sendung, sondern drei klar definierte Blöcke mit den Schwerpunktthemen Charts, Bravo Extra und Stars. Jeder der drei Moderatoren erhält eine eigene "Sendung in der Sendung". Die "Chartshow" präsentiert die aktuellen Hitlisten mit den Charts aus dem In- und Ausland. "Bravo Extra" bietet 30-minütige Reportagen aus den Bereichen Umwelt und Natur, aber auch sozial brisante Themen wie Obdachlosigkeit unter Jugendlichen oder Kindesmißbrauch werden aufgegriffen.

Die Entscheidung zur Dreiteilung der Sendung brachte jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Den jugendlichen Zuschauern fehlte die Bezugsperson, das Bravo-Gesicht. In zahlreichen Zuschriften wurde eine Rückkehr zum alten Konzept gefordert – es wurde deutlich, dass "Bravo TV" nicht zuletzt deswegen erfolgreich war, weil die Zuschauer hier eine Leitfigur hatten, der sie sowohl Kompetenz in Sachen "News aus der Welt der Stars" zutrauten als auch vertrauten, wenn es um persönliche Probleme ging. Das machten die Zuschriften an die Moderatorinnen immer wieder deutlich.

Enie van de Meiklokjes

Ein neues "Bravo-Gesicht" musste her und wurde im Oktober 1999 mit Enie van de Meiklokjes gefunden. Die Sendung kehrte in ihre ursprüngliche Form zurück, wurde jedoch um einige Bestandteile, wie ausführliche Starnews und Musikfeatures erweitert.
Trotzdem konnte auch mit dieser Umstrukturierung der Abwärtstrend der Sendung nicht gänzlich aufgehalten werden. Die Quoten in der Zielgruppe der 10- bis 15-Jährigen hatten sich seit 1996 halbiert.

Ergebnisse einer Akzeptanzstudie

Eine ausgedehnte Akzeptanzstudie unter jugendlichen Zuschauern zwischen 11 und 17 Jahren sollte Aufschluss bringen. Auf Basis einer bundesweiten Befragung unter 300 Jugendlichen im Alter von 10 bis 19 Jahren wurde die Akzeptanz der Sendung, und vor allem ihrer einzelnen Elemente, kritisch hinterfragt.

Für die Jugendlichen ist "Bravo TV" ein Format, das in erster Linie aufgrund seines Programmkerns rund um aktuelle Musik und Stars attraktiv ist. Musik und Stars sind auch die Elemente der Sendung, die alle Jugendlichen unbedingt beibehalten möchten, wobei sich die Jungen eher für die Musikbeiträge und die Mädchen eher für die Starbeiträge interessieren.
Interessant ist auch die Tatsache, dass die Jüngeren (10-13 Jahre) die Sendung meist im Ganzen sehen wollen. Mit zunehmendem Alter verlieren die Jugendlichen jedoch das Interesse daran, die ganze Sendung sehen zu wollen – sie schalten nur für die aktuellen Musik- und Starbeiträge ein.
Die typische Langeweile am Sonntag Nachmittag ist ein weiteres wichtiges Sehmotiv. Ein Großteil der Jugendlichen findet die Sendezeit genau richtig.
Während die Elemente "Megapreis", "Dr.Sommer Team", "Bravo Extra" und das "Top Thema der Woche" für die meisten der jungen Zuschauer eher verzichtbar sind, sind die fünf Top Inhalte der Sendung (nach Bewertung der 11- bis 17-Jährigen) die Charts, der Filmtipp, die Chartbreaker, das Video der Woche und der Top Star der Woche.
Die "guten Charts" sind hierbei für die meisten der jungen Seher die wichtigste Eigenschaft der Sendung, da sie Aktualität transportieren und immer im Trend sind. Kritisiert wird zunehmend die Information, die viele oft als zu "kindisch" oder "naiv" empfinden.
Insgesamt wird die Moderatorin Enie als gut empfunden – vor allem die Mädchen und die Jungen unter 15 Jahren finden Enie in Ordnung . Die Mädchen reagieren insgesamt positiver auf Enie als die Jungen. Das zeigt sich besonders in den Leserbriefen, die hauptsächlich von Mädchen direkt an Enie geschrieben werden.

Hier zwei exemplarische Beispiele für einen typischen Fanbrief eines Mädchens:

"Du moderierst einfach super und ich erfahre dort die meisten Neuigkeiten über meine Lieblingsband... Ich bin ein großer Fan der Kelly Family."

Oder der Brief eines 14jährigen Mädchens:

"Ich finde Eure Sendung spitze, sie ist immer spannend. Deshalb habe ich mir gedacht, ich schreibe Euch mal. Ich finde es auch super, dass ihr (fast) immer etwas über Britney Spears berichtet und tolle Bilder /Ausschnitte von ihr zeigt...!"

Der "neue" Geschmack der Jugendlichen

Die 10- bis 15-Jährigen im Jahre 2000 haben einen neuen Anspruch an die Sendung "Bravo TV", der genaugenommen "back to the roots" geht. Genau wie zu Beginn der Ära "Bravo TV" sollen nach dem Willen der Jugendlichen die Stars und die Musik im Vordergrund stehen. Der Informationsbedarf zu Themen wie "Aufklärung" oder "Bravo TV Report" scheint gedeckt und wird oft als nicht aktuell empfunden.
Diese Erkenntnisse werden zu einer Optimierung der Sendung "Bravo TV" ab dem Jahr 2001 führen. Die präferierten Elemente rund um Stars und Musik werden ausgebaut, die Sendung insgesamt verkürzt und attraktiver gemacht.
In der 7-jährigen Fernsehgeschichte von "Bravo TV" wurde immer wieder deutlich, dass die größte Herausforderung für die redaktionelle Betreuung dieses Formates in der Flexibilität der Redaktion sowie dem sicheren Gespür für den Geschmack der Jugendlichen lag. Die Interessen der jungen Zuschauer änderten sich im Laufe der Zeit immer schneller: war heute noch Pokemon angesagt, ist es morgen schon Digimon oder doch lieber Britney Spears. Die Leserbriefe sind ein wichtiger Indikator für wechselnde Trends und Vorlieben der Zuschauer und werden deshalb immer sehr ernst genommen und bewertet. Aber auch das sogenannte "Trendscouting" spielt eine wichtige Rolle: Redakteure, die sich an der Basis mit den Jugendlichen auseinandersetzen und so die Verbindung zum jungen Zuschauer nicht verlieren.

"Bravo TV" wird auch weiter im Leben der Heranwachsenden eine wichtige Rolle einnehmen und sich den Bedürfnissen und Interessen einer neuen Generation von "Bravo TV"-Zuschauern anpassen.


DIE AUTORIN

Katja Hofem-Best ist Leiterin Show & Magazine bei RTL II in München.

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