Dorothee Herrmann
Die "Traumgeschichten"
Echte Kinderträume
fürs Fernsehen inszeniert
Langjährige Erfahrungen mit der Verfilmung
von konkreten Kinderfantasien im Programm liegen beim ZDF-Kinderfernsehen
vor. In 160 Filmen von jeweils 3 bis 4 Minuten imaginierten sich
Kinder in Geschichten voller Stärke und von einer besseren
Welt.
Über mehr
als drei Jahre haben wir Kinder ganz konkret nach ihren Träumen
gefragt. Mehrere Hundert Briefe mit Kinderträumen erreichten
so im Laufe der Zeit die Redaktion, viele liebevoll illustriert.
Was den Kindern nachts im Kopf rumspukte, wurde für die Rubrik
Traumgeschichten in Tabaluga tivi verfilmt, insgesamt
über 130 Mal. 3 - 4 Minuten dauerten die Filmträume, deren
Realisation das Team vor größere Herausforderungen stellte,
als man es sich im Traum vorgestellt hatte.
Von vorneherein war klar, dass die Briefe
zunächst von Psychologen gelesen und begutachtet werden mussten.
Eine als Kinderpsychologin und außerdem dramaturgisch ausgebildete
Kollegin übernahm diese Aufgabe. Für ihr geschultes Auge
war sehr schnell klar, welche Träume "realistisch" und welche
erfunden waren. Aber Symbole mussten entschlüsselt und Handlungsstränge
entwirrt werden, um die traumspezifische Dramaturgie – gemeinsam
mit der Redaktion – in eine Fernsehdramaturgie zu übersetzen,
ohne den Kern der Geschichten zu verfälschen. Darüber
hinaus erreichten uns immer wieder Zuschriften, deren Analyse ganz
klar auf Probleme in der Familie oder im Umfeld hindeutete. Diese
Kinder bekamen individuelle Antworten, gegebenenfalls auch an die
Eltern.
Die größte Herausforderung lag
jedoch in der Inszenierung der Zuschriften. Träume beispielsweise
vom Fliegen, von Zeitreisen oder wilden Verfolgungsjagden zu inszenieren
mit einen Budget, das sich nur unwesentlich von dem einer klassischen
Reportage unterschied, forderte ein Höchstmaß an Kreativität
von Redaktion und Produktion. Einfache Stilmittel wie Stopptrick,
Zeitlupe, Unschärfen, Überstrahlung oder Reißschwenks
wurden gezielt (und sparsam) kombiniert mit Bluebox, Spezialkameras,
Puppentrick, Modellbau, Special Effects und Stunts, Einzelbildretuschen
und 3D-Animationen. Eine ganz besondere Rolle spielte auch die Vertonung,
spielten Kommentar, Geräusche und Musik und natürlich
Maske und Kostüm.
Abb. 1
"Eine Reise durch die Zeit" |
Abb. 2
"Ein Engel in Not" |
Die Ergebnisse waren wirklich "traumhaft",
oft trotz oder gerade wegen der Einfachheit der Mittel. Großes
Verdienst daran hatten die vielen Kinderdarsteller und Erwachsenen,
allesamt Laien, denen wohl gerade die Tatsache, dass sie Träume,
also keine realistischen Handlungen darstellten, das Spiel erleichterte.
Dennoch kam es immer wieder vor, dass die Traumgschichte im Brief
bei weitem das realistisch Machbare überstieg, sodass der Traum
nur in abgewandelter Form oder eben gar nicht verfilmt werden konnte.
Was dennoch alles verfilmt wurde, soll eine kurze Auswahl an Traumgeschichten-Titeln
verdeutlichen: Die Flucht, Die Zeit bleibt stehen, Ich treffe
meine Stars, Allein auf der Welt, Die Zaubertafel, Das viereckige
Auge, Total vergessen, Die kranke Königin, Alle meckern an
mir rum, Das Geisterhaus, Der Traum vom Fliegen, Im Keller, Das
magische Schwert.
Übrigens, bei den Traumgeschichten
ging für viele Kinder auch ein Traum in Erfüllung. Sie
konnten bei der Realisierung ihrer Geschichten selbst mitspielen.
Nach zwei Jahren Traumgeschichten
beschloss die Redaktion, den Fokus leicht zu verlagern. Die Kinder
wurden nun aufgefordert, ihre Fantasien, also Vorschläge für
fantastische Geschichten einzuschicken. Die Trauminhalte und Symbole
hatten sich im Laufe der Zeit wiederholt und wir versprachen uns
von der Neudefinition des Aufrufs neue und frische Geschichten –
konnten so doch auch Tag- und Wunschträume, Gedankenspielereien
und verrückte Ideen besser integriert werden. Auf dieser Basis
entstanden noch einmal über 30 Filme, bevor die Rubrik vorläufig
durch andere ersetzt wurde. Was aber nicht heißt, dass Kinder
nicht auch weiterhin bei tivi ihren Fantasien freien Lauf
lassen können. Zum Beispiel im Internet:
Geschichtenwettbewerbe bei tivi.de - Kinderfantasien
auf Verbrecherjagd
Kinderfantasien gehen noch gezielter ins
Programm ein, wenn Kinder Geschichten erfinden. Das können
sie zur Zeit im Internet unter www.tivi.de, dem Internetangebot
des ZDF-Kinderprogramms. Dort finden zwei Geschichtenwettbewerbe
statt, an denen Kinder sich beteiligen und gewinnen können.
Beide stehen im Zusammenhang mit der diesjährigen Aktion der
Stiftung Lesen. Unter dem Motto "Spürnasen ermitteln" werden
Kinder bundesweit aufgefordert Detektivgeschichten zu erfinden.
Und das können sie auch bei tivi.de.
Die Goldenen Feder, Mitmachaktion
der Redaktion Siebenstein, fordert Kinder auf , eine Kriminalgeschichte
zu erfinden, die anhand von im Internet versteckten Indizien zur
Lösung eines Falles führt. Wie und in welcher Reihenfolge
die Indizien auftauchen, bleibt den Kindern und ihrer Fantasie überlassen.
In der Krimiwerkstatt erarbeiten Kinder
– zusammen mit dem Autor Ralph Martin – eine Detektivgeschichte,
die nach der Fertigstellung in ein Drehbuch umgeschrieben und Ende
des Jahres auch verfilmt werden wird. Apropos verfilmen, Kinderträume
und Kinderfantasien spielen auch bei fiktionalen Programmen eine
große Rolle.
Träume als Fiktion – Trick- und Realserien
Kinderträume und Kinderfantasien folgen
in der Regel immer wiederkehrenden Mustern. Kinder träumen
vom Fliegen oder vom übermächtig Stark- und Reichsein.
Sie ängstigen sich in ihren Träumen vor Monstern, unfreundlichen
Erwachsenen und vielem, was sie noch nicht richtig verstehen. Sie
verarbeiten im Schlaf die Angst vor neuen Herausforderungen und
allem Fremden. Natürlich träumen sie sich auch als Helden,
als mutige Prinzen oder schöne Prinzessinnen. Symbole und Handlungsorte
mögen sich dabei im Laufe der Generationen verändern,
die Emotionen, Motivationen und Erfahrungen, die dabei eine Rolle
spielen, bleiben sich im Wesentlichen gleich.
Deshalb ist, was Kinder fantasieren, auch
Gegenstand fiktionaler Programme, seit es Kinderfernsehen gibt.
Pippi Langstrumpf sei hier nur exemplarisch genannt. Und
da wir die Träume und Fantasien unserer Zuschauer kennen, achten
wir darauf, dass sie sich auch in unseren Trick- und Realserien
wiederfinden – nicht als reiner Selbstzweck oder Flucht aus der
Realität, sondern eng verknüpft mit der Lebenswelt der
Kinder.
Abb. 3
"Der Taumspiegel" |
Abb. 4
"Das Geisterhaus" |
Der Traum von einer besseren Welt – Träume
in der Information
Kinder fühlen mit. Sie sind betroffen
über Leid und Armut in der Welt, fühlen großes Mitleid
mit all jenen – Klein und Groß –, die krank und elend sind.
Kinder wollen helfen und haben für die Sorgen der Menschen
radikale Lösungsvorschläge bereit – Träume von einer
besseren Welt. Die Reichen müssen eben mit den Armen teilen,
alle Kriege müssen sofort eingestellt, alle Minen entschärft
werden. Jene, die sich keine Medikamente leisten können, müssen
diese umsonst bekommen, und wenn alle Menschen ihre Autos in der
Garage stehen lassen und nicht mehr mit dem Flugzeug fliegen, dann
erledigt sich das Problem mit dem Ozonloch ganz von selbst.
Mit dem Älterwerden müssen Kinder
dann erfahren, dass die Welt so einfach nicht zu retten ist, dass
Zusammenhänge komplex, Interessen subjektiv und das Wohlergehen
aller Mitmenschen nicht immer oberste Maxime ist. Das zu verstehen
und gleichzeitig Mut zu machen, am Traum von einer besseren Welt
festzuhalten, indem man sich für Mensch und Natur engagiert
oder zumindest darauf achtet, das ist eine wesentliche Aufgabe unserer
Informationsprogramme für Kinder - logo und Pur.
Der Traum vom Mitmachen – Einmal im Fernsehen
dabei sein
In den Spielshowformaten 1,2 oder 3,
Tabaluga tivi und TKKG-Club können Kinder als
Kandidaten im Studio mitraten und mitspielen. In der Regel bewerben
sich die Kinder im Klassenverband, nach einem Casting werden dann
die Kandidaten aus der Klasse ausgewählt.
1,2 oder 3 ermöglicht eine besondere
Art der Teilnahme. Jeweils ein Kind pro Folge kann als Kamerakind
in der Show mit dabei sein. Die Kameraeinstellung des "Kameranachwuchses"
erhält einen bunten Rahmen, sodass für die Zuschauer sofort
erkenntlich ist, wenn auf das Kamerakind geschnitten wird. Im Jahr
2002 haben sich bis dato über 2.000 Kinder als Kamerakind beworben.
Bei Nelly Net(t), der interaktiven
Gameshow bei tivi, rufen Kinder während der Sendung
an und spielen über die Telefontastatur live auf dem Fernsehbildschirm.
Im Durchschnitt erhält das Nelly-Team jeden Samstag
20.000 Anrufe, aber nur 4 bis 6 Kinder können in der Sendung
mitspielen. Wer mit seinem Anruf nicht durchkommt, kann sich aber
auch im Internet für Nellys Show qualifizieren. Dort finden
Kinder verschiedene Qualifikationsspiele, die immer am Samstagmorgen,
vor der Sendung, ausgewertet werden. Die Kinder, die zu diesem Zeitpunkt
den Highscore anführen und der Redaktion gemailt hatten, dass
sie in der Sendung mitspielen möchten, werden zurückgerufen
und können wiederum über das Telefon bei Nelly
mitspielen.
Abb. 5
"Das Geisterhaus" |
Talent und viel Engagement verlangt die Teilnahme
am Kiddy Contest von den Kindern. Als Lohn für die Mühen
erfüllt sich dafür der Traum vom großen Showauftritt.
Knapp 3.000 Kinder zwischen 8 und 13 Jahren bewarben sich in den
letzten beiden Jahren bei dem Kinder Grand Prix, der von ORF und
ZDF gemeinsam veranstaltet wird. Gefragt sind dabei Gesangstalent,
Musikalität und Ausstrahlung, denn die Kinder singen selbst
aktuelle Pop-Hits mit neuen deutschen Texten. Nachdem die Finalisten
feststehen, beginnt die aufwändige Vorbereitung der Fernsehshow.
Es folgen Gesangsaufnahmen, die Choreographie wird einstudiert und
danach beides in einem Videoclip in Szene gesetzt. Von jedem Kind
wird zusätzlich eine Homestory produziert, die das Kind und
sein Umfeld vorstellt. Alles zusammen wird in der Fernsehshow im
November präsentiert, zusammen mit einem Liveauftritt jedes
Finalisten. Die Zuschauer können dann per TED-Abstimmung den
Sieger bestimmen.
Schadenfreude ist die schönste Freude,
insgesamt 26 Mal produzierte tivi AUWEIA!, die versteckte
Kamera für Kinder. Jede Folge inszeniert auch immer einen Streich,
den Kinder an die Redaktion geschickt hatten. Auch hier konnten
Kinder ihre Fantasie und ihre Kreativität einbringen.
Und "so was richtig Fieses" können die
Kinder sich auch für die "Bösen Aufgaben" bei Tabaluga
tivi ausdenken, die Arktos dann dem gebeutelten Außenreporter
Tom (Lehel) stellt. Der muss dann beispielsweise in einem Vergnügungspark
fünf Frauen dazu überreden, ihre Schuhe auszuziehen und
sich von ihm die Füße waschen zu lassen. Oder Tom muss
in einem Hotel nach der Stoppuhr Hotelbetten überziehen, denn
Tom hat zur Erfüllung der "Bösen Aufgaben" nur jeweils
1,5 Minuten Zeit.
DIE
AUTORIN |
Dorothee Herrmann M.A., ist Leiterin der
Redaktionsgruppe Unterhaltung und Fiktion beim Zweiten Deutschen
Fernsehen in Mainz.
INFORMATIONEN |
Internationales
Zentralinstitut
für das Jugend-
und Bildungsfernsehen
IZI
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