Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen, IZI

Ausgabe: 13/2000/2 - TEXTAUSZUG:



Dr. Dietger Bansberg



Von, mit und für Kids - "fabrixx"



Der Drehort "Jugendzentrum in einer Fabrik" bietet Jugendlichen alles, was ihnen wichtig ist: Spiel-Höhle und Treffpunkt, aber auch Experimentierraum für Freundschaften, Feindschaften, Liebe, Flirt, Traum und Realität.


Genau wie "Marienhof", "GZSZ" und selbstverständlich "Schloss Einstein" basiert "fabrixx" auf dem Format der langlaufenden, fiktionalen Serie, die

  1. weitestgehend im Studio produziert wird,
  2. weitgehend an einem zentralen, aber differenzierten Spielort spielt,
  3. die miteinander verwobenen Lebensschicksale einer größeren Gruppe von Menschen erzählt.
  4. Ist die Gesamterzählung prinzipiell unendlich. Sie kann aber
  5. durch Hinzufügen von neuen Figuren sowie neuen Schwerpunktsetzungen den Zeitläuften und ihren sich verändernden Zielsetzungen und Wünschen angepasst werden.

Wir wussten aus den Untersuchungen der Medienforschung, dass Kinder und Jugendliche sich von den Erwachsenenprodukten dieses Formats faszinieren lassen, ja dass diese zu ihren Lieblingssendungen gehören.

fabrixx: Anica und Franziska

Mit "Schloss Einstein" sind dann die Kinderprogramm-Macher der ARD, damals noch mit Gert Müntefering, in die Offensive gegangen und haben sich bewusst dieses Formats bedient bzw. haben es für ihr Interesse besetzt.

Wir gingen dabei davon aus, dass die oben definierte Erzählform der Soap mit unserer Verantwortung den Kindern gegenüber zu vereinbaren ist, wenn man sie aus der Erwachsenenwelt herausnimmt und sie von der intensiven, aber nicht essentiellen Verbindung mit den Zielen und Inhalten der Werbung befreit. "Schloss Einstein" hat sich also bewusst von der Erwachsenenwelt abgewandt und sich mit seinen Inhalten und Darstellern direkt in der Welt der Kinder angesiedelt. Das Interesse der jungen Menschen an der langlaufenden Erzählform der Soap wurde erfolgreich genutzt und mit dem anderen und wichtigeren Interesse der Kinder und Jugendlichen verkoppelt: sich selbst und ihre Welt direkt dargestellt zu sehen.

Diesen Weg auf die Kinder und Jugendlichen zu weiterzugehen, hat die ARD mit "fabrixx" beschlossen. Weiterzugehen heißt dabei allerdings nicht, bloß weitermachen wie bisher, oder gar noch einmal machen, sondern, aufbauend auf den Erfahrungen und diese nutzend, die Erzählhaltung zu variieren, Inhalte zu erweitern und immer wieder auch neue Gegenden und Inhalte zu erkunden.

Man kann diese Absicht, die neue Serie komplementär zu "Schloss Einstein" zu entwickeln, schon beim Vergleich der Titel sehen. Ich habe zur Verdeutlichung noch einige Stichwörter dazugestellt:



"fabrixx"

Fabrikgelände

Jugendzentrum mitten in einer Großstadt mit ihren Problemen

Freizeit + relativ offene, selbst zu gestaltende Zeit-
und Ordnungstrukturen

Großstädtisch gemischte Gesellschaftsschichten (Wohlstand und Herkunft betr.)

Freie Clique

Größerer Raum auch für direkte Darstellung
familiärer Probleme

"Schloss Einstein"

Schloss

Internat in ländlicher Idylle


Schule + relativ verbindlich vorgegebene Strukturen

Wohlhabende Kinder = Regel


Klassenverband

Familienprobleme eher die Ausnahme



Die Welt in "fabrixx"

Bei dem Entschluss für die Ansiedlung im Internat hatte die Überlegung durchaus eine wichtige Rolle gespielt, dass eine Welt des Wohlstands und des Luxus auch für Kinder den Reiz haben könnte, den diese Welt für Erwachsene in unzähligen Serien und Reihen zu haben scheint. "fabrixx" zweigt von diesem Wege ab und sucht eine größere Nähe und einen direkteren Zugang zur Realität der Mehrheit der Kinder.

Der erfundene Drehort, das großstädtische Jugendzentrum in der Fabrik, bietet uns dafür den zentralen authentischen Spiel-Raum. Seine konkrete Ausgestaltung, mit Netcage, Kuschelecke, Spielarealen und Cafeteria, mit Fabrikresten, Graffitis, bunten Stühlen, Pool- und Tischtennistischen und überhaupt mit dem ganzen Charakter des von Kindern täglich Angefassten und Gebrauchten, bestimmt das Bild, das Image von "fabrixx". Eine Mischung aus Spiel-Höhle und Meeting Place, in diesem von den Jugendlichen (mit)gestalteten, für jeden offenen Raum mit durchaus großstädtischer Anonymität, aber auch den Möglichkeiten von Intimität und Zuhause.

Hier trifft sich die Clique, die mal lockere mal festere Gruppe von Freunden. Sie ist das zweite, das menschliche Zentrum der Serie. Ähnlich wie in der Realität ist sie für die Jugendlichen subjektiv wichtiger als Familie und gar Schule. In der Clique im "fabrixx" ist man weitgehend unter sich, hört seine Musik, kann spielen, surfen, tratschen, träumen, tanzen... Hierhin werden aber auch die Probleme und Erlebnisse der Außenwelt getragen. Schule und Familie spiegeln sich hier direkt in Gesprächen oder indirekt im Verhalten. Ängste und Freuden werden in der Clique verarbeitet. Hier ist Raum für all die "Experimente" dieser schwierigen, in und um sich ständig Neues erlebenden Altersgruppe - mit Freundschaften und Feindschaften, mit Liebe und Flirt, mit Träumen und Realitäten, mit Wünschen und gegenseitiger Verantwortung, Einsamkeiten und Geselligkeit.

Handlungsmodelle für Jugendliche

Wie alle genannten Serien wollen wir unser Publikum erstens und vor allem mit spannenden, witzigen, emotionalen Geschichten unterhalten. Wir setzen im "fabrixx" aber auf die möglichst authentische Darstellung einer Erlebniswelt mit Erzählungen, deren recherchierter Ausgangspunkt immer wieder die Realität ist. Ihre Weiterentwicklung findet statt im ständigen Gespräch mit unseren Protagonisten, mit Jugendlichen aus benachbarten Stuttgarter Jugendzentren und jetzt nach Sendungsstart auch zunehmend begleitet von der im Internet möglichen Rückkoppelung. Wir hoffen, so das Interesse der Jugendlichen zu erreichen und ihnen zugleich Handlungsmodelle vorzuspielen, die zur Identifizierung und Auseinandersetzung, zu Anwendung und Widerspruch reizen.

fabrixx: Gianna und Mehmet

Wer die Diskussion um die Wirkungsmöglichkeiten von Fernsehen auf Jugendliche mit ihren ambivalenten Ergebnissen - etwa aus der Auseinandersetzung um TV-Gewalt - kennt, wird nur vorsichtige Erwartungen hegen. Das enthebt uns aber nicht der Notwendigkeit klarer und verantwortbarer Ziele und erlaubt auch deutliche Hoffnungen. Das heißt in unserem Fall, "fabrixx" soll die Jugendlichen unterhalten und immer auch:

  • sie mit sich und miteinander ins Gespräch bringen,
  • ihnen ihre Situation ins Bild rücken und bewusst machen,
  • ihnen Lust und Mut zu sich und aufs Leben machen,
  • Lösungen von Problemen anregen,
  • Ängste relativieren und den Umgang mit ihnen selbstverständlicher machen,
  • Geduld für Kompromisse fördern,
  • Neigungen zur Gewalt bei sich und anderen erkennen helfen und Mut zur Gegenwehr anregen,
  • sie ermutigen, mit Niederlagen und ungelösten Problemen ohne Resignation zu leben.

In der Überfülle mehr oder weniger zweifelhafter Handlungsmodelle, die den Kindern in allen Programmen und Genres auf Knopfdruck zur Verfügung stehen, wollen wir energisch gegenhalten und die Jugendlichen mit brauchbaren und anregenden Modellen faszinieren. Zusammen mit dem noch weiter auszugestaltenden Internetauftritt von "fabrixx" und den damit gegebenen neuen interaktiven Möglichkeiten, wie Diskussionsforen, Chats, Abstimmungen und Spielen sowie der thematischen Verlinkung zu anderen Sendungen und auch zu anderen Fachpages, werden wir einen für die Jugendlichen interessanten und ergiebigen Erlebnis- und Gesprächsbereich gestalten können.




DER AUTOR

Dietger Bansberg, Dr. phil., ist Redaktionsleiter "fabrixx" im Familien- und Kinderprogramm des Südwestrundfunks, Baden-Baden.

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