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EDITORIAL
Die Menschheit besteht etwa zur Hälfte aus Frauen und zur Hälfte aus Männern – sowie einigen Menschen, die sich nicht dem einen oder anderen Geschlecht zuordnen lassen. Dieses reale Geschlechterverhältnis spiegelt sich in Film und Fernsehen allerdings nicht wider. In den Vollprogrammen kommen Männer doppelt so häufig vor wie Frauen und spielen die bedeutsameren Rollen. Im Kinderprogramm sind Jungen- bzw. Männerfiguren sogar 3-mal so häufig zu sehen wie Mädchen- bzw. Frauenfiguren, bei Fantasiefiguren kommt auf 9 männliche Figuren nur eine weibliche (Prommer, Linke & Stüwe). Das Kinderfernsehen, welches die nachfolgende Generation bilden und unterhalten soll, ist somit rückständiger als Film und Fernsehen für Erwachsene.
Es gibt sie, die Ausnahmen der starken Mädchen, die oft als Rothaarige (Lemish) und in jedem Fall stereotyp schön, ausgesprochen schlank und meist hypersexualisiert dargestellt sind. Die Hälfte aller Zeichentrickfiguren, die Kinder im Kinderfernsehen sehen, sind dünner, als es auf natürlichem Wege überhaupt zu erreichen wäre (Linke, Stüwe & Eisenbeis). Hätten Kinder die Wahl, würden sie diese hypersexualisierten Zeichentrickfiguren vermeiden (Holler & Götz), und wenn sie entsprechend geschult sind, erkennen und kritisieren sie die Problembereiche sogar deutlich (Holler et al.). Dennoch verändert sich kaum etwas zum Besseren.
Eine Ursache dafür liegt in der Produktion begründet. Sie liegt nach wie vor in weiten Teilen in den Händen von Männern und repräsentiert damit überwiegend den Blick von Männern auf Mädchen und Frauen (Götz & Mlapa). Dies führt u. a. zu einer Reproduktion von Stereotypen, die bei Mädchen auf Schönheit und bei Jungen auf Coolness und Stärke verweisen – Klischees, die weder für die Mädchen noch für die Jungen förderlich und zukunftsweisend sind (Diaz & Wentzel). Eigentlich ist wissenschaftlich gut benannt, wo andere Mädchen- und Frauenbilder gebraucht werden, zum Beispiel als Expertinnen im Bereich Naturwissenschaften. An einzelnen Beispielen zeigt sich hier die Kraft der alternativen Bilder, wie bei der Kinderserie Annedroids (Götz et al.), aber auch die Fehlannahme, dass mit populären Formaten wie The Big Bang Theory Stereotype wirksam aufgelöst würden (vom Orde). Es ist wissenschaftlich belegt, dass ein Denken »que(e)r« der binären Geschlechtergrenzen zu einer Erweiterung von Identitätskonstruktionen führt (Loist). Konkrete Umsetzungen finden sich jedoch erst in Ausnahmefällen von »nicht-binären« Figuren.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der die gesetzlich festgelegte Gleichstellung von Frauen und Männern bei Weitem nicht erreicht ist (Meier-Gräwe), besonders nicht im Kinderfernsehen. Es ist unsere Aufgabe, die Gegenwart zu verbessern und die nachfolgende Generation für eine geschlechtergerechtere Zukunft zu bilden. Wie diese für Jungen (Winter; Næsheim) und Mädchen (Reich; J.J. Johnson) aussehen könnte und wo systematische Ansatzpunkte zur Veränderung liegen (Serner; Heisecke & Götz), wird in dieser Ausgabe der TelevIZIon skizziert.
Dr. Maya Götz
FORSCHUNG
Elizabeth Prommer/Christine Linke/Julia Stüwe
Is the future equal?
Mithilfe einer standardisierten Inhaltsanalyse wurden die Figuren des deutschen Kinderfernsehens hinsichtlich der Geschlechtlichkeit, des Typs der Darstellung sowie des Alters untersucht.
Andrea Holler/Michael Kraller/Maren Toepler/
Ann-Kathrin Lux/Pamela Tumba
Bildbriefe an Fernsehverantwortliche
Christine Linke/Julia Stüwe/Sarah Eisenbeis
Überwiegend unnatürlich, sexualisiert und realitätsfern
In einer Studie wurde mithilfe des Waistto-Hip-Ratio und Waist-to-Shoulder-Ratio das aktuelle Körperbild gezeichneter bzw. animierter Figuren im Kinderfernsehen untersucht.
Andrea Holler/Maya Götz
Wollen Kinder sexualisierte Mädchenfiguren?
842 Kinder zwischen 6 und 13 Jahren wurden gefragt, welche Feen-Figur aus einer Auswahl von 4 Varianten mit verschiedenen Outfits und Waist-to-Hip-Ratios ihnen am besten gefällt.
Dafna Lemish
Warum gibt es so viele rothaarige Mädchen im Kinderfernsehen?
Maya Götz/Ana Eckhardt Rodriguez
Was macht eine tolle Frau oder einen tollen Mann aus?
Miguel Diaz/Wenka Wentzel
Neue Helden für Jungs?!
Skadi Loist
»Think beyond«
Maya Götz
Die Lieblingsfiguren der Kinder im Fernsehen
Maya Götz/Manda Mlapa
Wer produziert, schreibt und führt Regie?
PROGRAMM
J.J. Johnson
Annedroids: Männlich, weiblich, neutral? Egal!
Karin Heisecke/Maya Götz
Wie sich das Geschlechterverhältnis im
Kinderfernsehen und Vollprogramm
verändern kann
PROGRAMMFORSCHUNG
Maya Götz/Sophia Pritscher/Caroline Mendel/
Ana Eckhardt Rodriguez
Annedroids im Rezeptionstest
FORSCHUNGSDOKUMENTATION
Dafna Lemish
Jenseits von Stereotypen?
Heike vom Orde
Lust auf MINT dank CSI und
The Big Bang Theory?
Geschlechtergerechtigkeit: eine Auswahl an Fakten
INTERVIEW
Uschi Reich
Mehr Mut zur Eigenständigkeit:
starke Mädchenfiguren im Kinderfilm
Uta Meier-Gräwe
Wie geschlechtergerecht ist unsere
Gesellschaft?
Reinhard Winter
»Es macht Jungen stark, wenn sie so sein dürfen, wie sie sind«
Knut Næsheim
Die emotionale Entwicklung von Jungen
unterstützen
Anna Serner
Der schwedische Weg: »Genug geredet –
jetzt ist Zeit zu handeln«
Die Leiterin des Schwedischen Filminstituts erläutert, mit welchen Maßnahmen sie die Geschlechtergerechtigkeit in der Filmproduktion fördert.
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