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TELEVIZION 27/2014/2

Die dunkle Seite des Fernsehens


EDITORIAL
Fernzusehen macht Spaß, bereitet ein gutes Gefühl und ist vor allem mit Freude, Stolz, einer angenehmen Spannung oder Anrührung verbunden. Zum Menschsein gehören aber auch die häufig als weniger angenehm empfundenen Emotionen wie Wut, Angst, Ekel und Trauer. Jede Emotion hat ihren Sinn, den es wahrzunehmen und als Ressource für das weitere Handeln zu nutzen gilt (Glasenapp). Kinder und Jugendliche empfinden diverse Emotionen und wollen sie auch im Fernsehen repräsentiert sehen (Götz). Gerade die »dunklen Emotionen« wie Wut gestehen wir Kindern und Jugendlichen ungern zu, anstatt sie als Kraft zu sehen, die es zu kultivieren gilt – auch mit Film und Fernsehen (Fuhs/Peklo). Die Zurückhaltung, mit ihnen kreativ-konstruktiv umzugehen, steht dabei auch in Verbindung mit der Befürchtung von Nachahmung. Beim Thema »Suizid« ist dies durchaus nachweisbar (vom Orde). Trauer und Selbstmordgedanken sind jedoch Teil des Heranwachsens und gerade deshalb sollte Qualitätsfernsehen auch für diese Empfindungen symbolisches Material anbieten.
Das Erlebnis von eher unangenehmen Emotionen kann auch Grund für die Rezeption bestimmter Formate sein. Lustvolles Ekeln ist zum Beispiel für Fans der Sendung Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! zentrales Motiv der Faszination (Bulla/Mendel). Oft ist es auch eine Mischung aus verschiedenen Gefühlsregungen, wie sich in einer Studie mit über 900 Vampirfans verschiedener Formate zeigte (Mendel/Bulla/Esmailzadeh).
Aber nicht alle erlebten Emotionen sind dabei wirklich bereichernd. Eine der aus pädagogischer Sicht problematischsten Emotionen beim Fernsehen ist Angst. Fast alle 600 befragten Erwachsenen einer Studie erinnern sich rückblickend an ein Erlebnis, bei dem sie als Kind starke Angst beim Fernsehen hatten. Zum Teil sind es Angsterlebnisse, die in den Bereich der traumatischen Erfahrung fallen und über Wochen, zum Teil über Jahre zu einer Einschränkung des Wohlbefindens führten (Unterstell/Müller). Die Befragung von Kindern und Jugendlichen heute zeigt: Insbesondere Kinder erleben Angst und Albträume vom Fernsehen (Holler/Müller). In Deutschland geben 6 von 10 der 8- bis 9-Jährigen an, kürzlich Angst beim Fernsehen gehabt zu haben, ein Drittel bekam Albträume (Götz). Im internationalen Vergleich haben sie damit am seltensten Angst. Klare Jugendschutzregelungen und Institutionen, die engagiert auf deren Einhaltung achten, fangen die meisten entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte ab (Weigand, Mader, Goehlnich, Mikat). Das größte Problem ist jedoch das fehlende Wissen von Eltern. Ratgeber wie der FLIMMO leisten in der Elternprogrammberatung gute Arbeit, doch gerade bei Spielfilmen am Wochenende, wo die häufigsten nachhaltigen Angsterlebnisse bei Kindern auftraten, kann auch dieser nur bedingt ausgleichen.

Dr. Maya Götz


FORSCHUNG

Sabrina Unterstell/Amelie Müller
»Ich hatte monatelang Angst, nachts aus meinem Bett zu steigen«
In einer internationalen Studie erinnerten sich 631 StudentInnen aus 8 Ländern an die Fernseherlebnisse in ihrer Kindheit, die ihnen Angst machten.

Andrea Holler/Amelie Müller
»Ich renne, aber sie kriegen mich trotzdem«

Maya Götz
Angst beim Fernsehen
Der Artikel fasst die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zum Thema »Angst beim Fernsehen« zusammen und deutet sie vor dem Hintergrund weiterer Studien des IZI-Forschungsschwerpunktes »Emotionen«.

Sabrina Unterstell/Amelie Müller
»Es war so schaurig schön!«

Burkhard Fuhs/Maria Peklo
»Wut ist manchmal gut, manchmal schlecht«
Der Artikel zeigt auf, wie Kinder die Emotion Wut erleben, wie sie damit umgehen und wie sie die Darstellung von Wut in Film und Fernsehen für Kinder wahrnehmen.

Maya Götz
Was Kinder und Jugendliche im Alltag und beim Fernsehen fühlen

 

PROGRAMMFORSCHUNG

Caroline Mendel/Christine Bulla/ Sonja Esmailzadeh
»Böse Jungs mit weichem Herz in harter Schale«

Christine Bulla/Caroline Mendel
»Die Dschungelprüfungen sind das Beste, total lustig und auch eklig«

 

FORSCHUNGSDOKUMENTATION

Heike vom Orde
Dunkle Seiten des Fernsehens: Suizid und Tod

 

INTERVIEW

Jan Glasenapp
Emotionen als Ressourcen

Birgit Goehlnich
»Wir diskutieren nicht, bis alle einer Meinung sind«

Leonie Fricke-Oerkermann
Albträume bei Kindern

Sabine Mader
»Im Zweifel meistens einvernehmlich«

Claudia Mikat
»Im Privatfernsehen gibt es keine Geheimnisse«

Verena Weigand
Herausforderung Internet: »Eltern dürfen nicht resignieren«

Erhard Doubrawa/Detlef Klöckner
Tod, Trauer und Suizid im Kinderfernsehen

 

INFORMATION

FLIMMO: »Mit Ecken und Kanten« und »Nicht für Kinder«

Sonderfall Suizid


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