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TELEVIZION 19/2006/1

Welche Rolle spielt Geschlecht?


EDITORIAL

D ie Gleichheit von Frauen und Männern ist nicht nur grund-gesetzlich festgelegt, unsere Gesellschaft hat sich vertraglich verpflichtet, die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen und
Benachteiligungen abzubauen. Der empirische Blick ins Kinderfernsehen zeigt jedoch schnell: dieses Ziel ist im Fernsehangebot bei Weitem noch nicht erreicht. Sicher, es gibt sie, die starken Mädchenfiguren, aber deutlich
häufiger sind kleine und große Männer die Helden des Fernsehprogramms. Insbesondere bei Zeichentrick-Angeboten dominieren sie das Kinder-fernsehen mit 80 % der Hauptrollen.

Wie kommt es, dass in einem Bereich, der als pädagogisch ausgesprochen bedeutsam für die Entwicklung von Geschlechterbildern identifiziert wurde, ein derartiges Missverhältnis herrscht? Die Begründungszusammenh änge sind vielfältig. Mangelndes Bewusstsein bei einigen Fernsehmacher*innen oder Stereotype darüber, was Mädchen bzw. Jungen wollen, gehören aber ganz sicher dazu. Bei anderen Produzierenden verlagert sich das geschlech-terspezifische Engagement hin zu den Jungen als die vernachlässigte und für Qualitätsfernsehen schwer zu erreichende Zielgruppe.

Um Orientierung in Sachen Gender Mainstreaming geben zu können, ist der Stand der Rezeptionsforschung im Bereich Kinder – Jugend – Fernsehen leider nicht immer hilfreich. Es fehlt an gezielten Studien und nicht selten
bleibt Forschung hinter der real existierenden Vielfältigkeit von Geschlech-teridentitäten weit zurück. Hier setzt diese Ausgabe an, zeigt Facetten der Bedeutung von Geschlecht für die Fernsehrezeption auf und geht Fragen nach wie: Was sind denn Themen, Fernsehfiguren und Geschichten, die Mädchen und Jungen interessieren und fördern? Welche Rolle spielen »Gender, Class and Race« bei der Aneignung von Fernsehprogrammen? Was heißt »Geschlechtersensibilität« bei der Fernsehproduktion?

Die hier vorgestellten Erstveröffentlichungen zu IZI Studien und Interviews mit Produzierenden machen zumindest eines klar: Trotz über 150 Jahre Frauenbewegung, 58 Jahren Gleichberechtigung und 7 Jahren Gender Mainstreaming bleibt noch sehr viel zu tun, zu analysieren und zu reflektieren.

Maya Götz


FORSCHUNG


Maya Götz

Die Hauptfiguren im deutschen Kinderfernsehen
Die Analyse der Hauptfiguren im deutschen Kinderfernsehen zeichnet ein
relativ eindeutiges Bild: Mädchen- und Frauenfiguren sind klar unter-repräsentiert und stereotypisiert. Neben der hilflosen Blonden findet sich überproportional häufig die egozentrische Rothaarige.

Dafna Lemish
Was bedeutet "Gender"?
Wie könnte eine geschlechtergerechte Welt im Kinderprogramm aussehen?
Produzent*innen aus aller Welt wurden hierzu interviewt. Ihre Standpunkte werden mit der Entwicklung feministischen Denkens abgeglichen.

Sabine Feierabend
Der kleine Unterschied
Auf der Basis der Ergebnisse der KIMStudie werden Unterschiede im Medienbesitz, in den Mediennutzungszeiten und in der Auswahl des Programmangebots bei 6- bis 13-jährigen Kinder und Pre-Teens vorgestellt. Bei der Programmauswahl zeigen sich die größten Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen.

Maya Götz
Nur schön, sozial und nachgiebig?
In qualitativen Fallstudien und einer Repräsentativbefragung wurden die
Lieblingsfiguren der Mädchen und Jungen erfragt. Dabei zeigt sich: Mädchen
bevorzugen erfolgreiche, starke, aber auch freche und tragische Figuren – je nach handlungsleitendem Thema und Bearbeitungsstrategie.

Reinhard Winter, Gunter Neubauer
Oben drüber oder unten durch
Qualitative Interviews zeigen, dass die männlichen Kids Clowns, Loser, Helden und Kämpfer mögen. Die Figuren sind für Jungen attraktiv und entwicklungsf ördernd, weil sie zeigen, wie Anforderungen aktiv bewältigt werden können: Erfolgreich »über die Messlatte« oder subversiv »drunter durch«.

Divya C. McMillin
"Wenn wir aufhören, uns zu fürchten"
Unterschiedliche Fernsehpräferenzen indischer Teenager lassen sich auf deren Gender-Perspektive und sozialen Status zurückführen, so diese qualitative Studie. Jungen bevorzugen Comedians und starke Helden, Mädchen wählen Fernsehfilme und Soaps, zur Unterhaltung oder als Vorbilder für sozialen Aufstieg.

JoEllen Fisherkeller, Zelda Freud
"Sie ist keine richtige Mutter"
Wie begründen New Yorker Teenager die Wahl ihrer Lieblingsfernsehfigur(en)? Und hat dies etwas mit genderspezifischen Eigenschaften dieser Figuren zu tun? Am Beispiel der Lieblingsfigur eines Mädchens wird darüber hinaus gezeigt, in welcher Beziehung alltägliche Gender-Erfahrungen und das Interesse an bestimmten TV-Figuren stehen.

Firdoze Bulbulia
Hautfarbe, Klasse und Fernsehvorlieben
Vier Fallbeispiele von Jugendlichen aus Südafrika und ihren Beziehungen zu Fernsehfiguren zeigen exemplarisch, wie Gender, Alters- und ethnische Aspekte bei der Auswahl und Rezeption von TV-Sendungen zusammenspielen.

Elke Schlote
"Die Frau hat geredet, mit allen Eltern an der Schule"
Auch Fernsehsendungen für Erwachsene bringen Gender-Rollen an den Mann – und an die Frau. An zwei Frauen-Figuren der Sprachlernsoap DEUTSCH KLASSE wurde untersucht, wie deren Frau-Sein inszeniert ist und welche Anknüpfungspunkte Migrantinnen sehen. Dabei wird auch die Bedeutung dieser Rollen für den Deutsch-Erwerb diskutiert.

Barbara Stauber
Geschlechtersensibilität im Kinder- und Jugendfernsehen
Was ist ein attraktives geschlechtersensibles Programm? Gendersensibel sein besagt, nicht Rollen vorzuschreiben, sondern in Figuren und Themen Möglichkeiten des Mädchen- oder Junge-Seins aufzuzeigen. Kinder erwarten vom Fernsehen ohnehin realitätsnahe Sichtweisen auf die Welt, um sich ein eigenes Bild zu machen.

 

PROGRAMM

Tone C. Rønning
Boys will be boys

Corinna Kramp
Von Pünktchen, Pony Hütchen und Mona

Kristina Colliander
Rosas Leben

Astrid Plenk, Andrea Lang
Jungs mögen Action ... aber auch noch mehr!

Eva Radlicki
"Stark" ist, wenn man seinen eigenen Weg findet

Seham Nasser
Fatma setzt sich durch

EXPERTiNNEN DISKUTIEREN

Speak up! - Rollentausch im Klassenzimmer

Toggo United - Die Fußballschule

Odd one out - Von Lucas zu Luus, von Junge zu Mädchen

 


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