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TELEVIZION 15/2002/2

Kinderfernsehen zwischen Markt, öffentlicher Diskussion und Alltag


EDITORIAL

Kinderfernsehen ist mehr, als "wenn Kinder fernsehen": Es ist auch Teil einer öffentlichen Diskussion, es ist Politikum, und es ist ein komplexer Markt. Von der Öffentlichkeit gerne denunziert, ist Kinderprogramm heute fest im Medienmarkt verankert. Es entsteht in einem komplexen Produktionssystem (Hofmann/Schmid) mit Marktführerschaften und Gewinnern.
Kinder wachsen heute wie selbstverständlich in dieses Marktgefüge hinein. Fernsehen und Internet haben für sie vor allem eines: alltäglichen Gebrauchswert. Je nach Erlebniswelten und sozialem Umfeld, suchen Kinder sich das heraus, was sie für sich nutzen können. Dabei folgen sie zunächst vorgegebenen Bahnen, um sich dann mit zunehmender Eigenständigkeit ihr eigenes Menü zusammenzustellen (Wagner). Eltern stehen dem Fernsehkonsum der Kinder unterschiedlich gegenüber, von deutlich pädagogisierend bis eher distanziert (Guth).
Der Markt hat sich auf diese Nutzung eingestellt. Es entstehen Tendenzen wie die Entpädagogisierung des Angebots oder eine zunehmende Orientierung an Jugend (Hengst). Im öffentlichen Diskurs werden diese Zusammenhänge nicht immer angemessen wahrgenommen, auch wenn simplifizierende Kulturkritik mittlerweile nur noch die Ausnahme ist. Nichtsdestotrotz werden besonders die öffentlich-rechtlichen Sender in die Verantwortung genommen, neben dem Unterhaltungsbedürfnis der Kinder auch Bildung und kulturelle Werte anzubieten (Nagl).
Kinderfernsehen steht zwischen dem Markt, der öffentlichen Diskussion und dem Alltag von Kindern und Familien. Für Kinderprogramme gilt es, in diesem Kräftefeld eigenes Profil zu gewinnen.

Maya Götz


PROGRAMM

Frank Beckmann
Mit Marktferne zum Markterfolg
Der Kinderkanal von ARD und ZDF setzt im Marktgefüge auf Qualität und Vielfalt. Auf Sendungen, die zwar hohe Quoten brächten, diesem Anspruch aber nicht genügen, wird auch einmal verzichtet. Motto: Der Markt darf das Kinderfernsehen nicht beherrschen. Programmbegleitende Maßnahmen hingegen, die den Interessen der Kinder - und nicht denen der Anbieter - entsprechen, sind willkommen.


Claude Schmit
Kindgerechte Unterhaltung, die keine Diskussion scheuen muss
Das Ziel von Super RTL ist erfolgreiche Unterhaltung mit Niveau. Die Marktorientierung soll dabei nicht zu Lasten der Kinder gehen. Statt kurzfristiger Trends gilt es, sich mit innovativen Sendungen nachhaltig zu positionieren. Der Sensibilität des Themas wird dabei Rechnung getragen und die öffentliche Diskussion gezielt gesucht.


Susanne Müller
In Deutschland eigentlich kein Grund zum Jammern
Das ZDF-Kinderprogramm bietet Vielfalt, die fordern und Optionen aufzeigen will. Die Leitlinie ist hierbei: "Zuerst die Kinder" - eine Leitlinie, die auch von der öffentlichen Diskussion wertgeschätzt wird. Der Markterfolg spielt bei diesen Überlegungen nicht die Hauptrolle, auch wenn es ohne die internationale Einbindung nicht geht. Dies bedeutet aber nicht, sich der Stromlinienförmigkeit der Kinderprogrammindustrie anschließen zu müssen.


FORSCHUNG

Katharina Kuchenbuch
Sind wir nicht alle ein bisschen Marktführer?
Zur Marktsituation der Fernsehsender bei Kindern 2001
Die Marktführerschaft im Kinderfernsehen können - je nach Zeitabschnitt und Bezugsgruppe - verschiedene Anbieter für sich verbuchen. Super RTL liegt insgesamt gesehen vorn. Wird nur der Samstagvormittag betrachtet, so kann das ZDF bzw. an Werktagnachmittagen RTL2 diese Position für sich in Anspruch nehmen.


Margret Albers
Kinderfilm ohne (Markt-)Chancen?
Kinderfilme haben Marktchancen, und mehrere deutsche Produktionen wurden zu "Besuchermillionären". Die Qualitätsförderung muss jedoch unbedingt weiter vorangetrieben werden.


Ole Hofmann/Oliver Schmid
Wertschöpfungskette Kinderfernsehen
Strukturen des deutschen Kinderfernsehmarkts

Kinderfernsehen entsteht in einem komplexen System, in dem zahlreiche Firmen und Betriebe unternehmerisch tätig sind. Anhand von Experteninterviews mit Verantwortlichen aus allen Bereichen wird ein erster Überblick über die Marktsituation der am Kinderfernsehen beteiligten Unternehmen gegeben. Die Analyse folgt dabei dem Entstehungsprozess des Kinderfernsehens entlang seiner Wertschöpfungskette.


Sylvia Nagl
Kinder- und Jugendfernsehen in der Presse
Zwar werden nur noch halb so viele Zeitungsartikel zum Kinderfernsehen veröffentlicht wie vor fünf Jahren, diese sind jedoch länger und komplexer geworden. Die Informationssendungen des öffentlich-rechtlichen Kinderprogramms werden als vorbildlich diskutiert, während erfolgreiche Sendungen der kommerziellen Anbieter, wenn, eher als Negativbeispiele dienen.


Birgit Guth
In den Alltag geschaut: "Kinderwelten 2002"
Die inneren Erlebniswelten der Kinder sind unterschiedlich ausgeprägt - eher arrangierte Welten oder auch unabhängige Fantasiewelten. Die Vielfältigkeit von Kindern und Eltern zu berücksichtigen, ist wichtige Voraussetzung für kindgerechte, aber auch wirtschaftlich erfolgreiche Angebote.


Ulrike Wagner
"Da guck' ich dann unter www..."
Vom Fernsehen ins Internet - konvergente Medienangebote, konvergente Nutzung?
Mit fernsehkonvergenten Internetangeboten versuchen Anbieter, Kinder vermehrt zu binden. Kinder nutzen die Angebote, wobei sie ab ca. 9 Jahren zunehmend ihre eigenen Wege zum Mehrwert finden.


Maya Götz
Der Gebrauchswert von Kindersendungen im Alltag
Kindern steht heute ein ausdifferenziertes Angebot an Fernsehprogrammen zur Verfügung. Sie wählen sich das aus, was für sie einen hohen Gebrauchswert hat. Dabei entsteht ein komplexes Zusammenspiel von Fernsehmarkt und Alltag der Kinder. Aus pädagogischer Sicht zeigen sich hier durchaus Chancen, aber auch Problembereiche, die es wahrzunehmen gilt. Die Presseberichterstattung nimmt diese jedoch nur zum Teil wahr.


Heinz Hengst
Zur Verselbstständigung der kommerziellen Kinderkultur
Für ein angemessenes Verständnis muss Kinderkultur in größeren Zusammenhängen des soziokulturellen Wandels gesehen werden: Der Konsum von Kindern ist zum typischen Teil der Ausbildung und Demonstration von Identität geworden. Der Markt präsentiert sich hierfür zunehmend entkindlicht. Kinderkultur wird "eher alt" und orientiert sich an Normen und Konsumstilen von Jugendlichen. Die Absatzmärkte für Kinder entpädagogisieren sich, gleichzeitig werden andere Märkte ausgebaut, die vorwiegend auf Eltern und den Ausbildungsmarkt zielen.

 


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