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EDITORIAL
Fernsehen
tötet die Fantasie, so die Alltagstheorien zur Beziehung
von Kindern und Fernsehen. Doch die Fähigkeit zu inneren
Bildern ist dem Menschen angeboren (Etienne Klemm). Fantasie
wird da angeregt, wo Erfahrungen und Emotionen zum Klingen
kommen und Freiräume entstehen. Beim Medium Buch sind
diese ohne Frage vor allem visueller Natur. Das Fernsehen
scheint im Verhältnis dazu "alles" vorzugeben und 1:1
die Fantasie der Kinder zu belegen. Dass die Zusammenhänge
vielschichtiger sind, davon zeugen die Artikel von Psycholog*innen,
Pädagog*innen und Verantwortlichen aus der Produktion.
Auch (Kinder-)Fernsehen kann Freiräume
für die Fantasie eröffnen, wie die Aufsätze
theoretisch begründen und praktisch zeigen (z. B. Neuß).
Um diese Zusammenhänge zu verstehen, müssen wir
Kinder sensibel beobachten und uns auf ihre Welten einlassen.
Wir sehen uns dann zum Beispiel mit den unsichtbaren Freunden
der Kinder konfrontiert, die wie Ernie aus der "Sesamstraße"
heißen können (Taylor, Rogge). Die Fantasie der
Kinder ist hier nicht vom Fernsehen zerstört, sondern
es gibt sichtbare Beziehungen. So weisen zwei Drittel der
knapp 200 "großen Tagträume" von 8- bis 9-Jährigen,
die in der internationalen IZI-Studie erhoben wurden, Medienspuren
auf – vor allem aus dem Leitmedium Fernsehen. Kinder sind
hier keine wehrlosen Opfer, aber sie nehmen Teile des Fernsehens
mit in ihre inneren Bilder auf.
Für die Fernsehschaffenden bedeutet
dies viel Verantwortung und eine große Herausforderung.
Wie Redakteur*innen damit umgehen, wie sie versuchen, Fantasien
zu involvieren, zu initiieren und wo sie die Grenzen sehen,
dazu äußern sie sich in diesem Themenheft "Kinderfantasien
und Fernsehen".
Maya Götz
FORSCHUNG
Thomas Gruber
Wie
viel Fantasie braucht die Zukunft?
Fantasie ist die Kraft, aus Vorhandenem Neues zu schaffen.
Eine Fähigkeit, die auch kommende Generationen dringend
benötigen werden. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
muss die Verantwortung für unsere Kinder ernst nehmen
und ihre Fantasie mit Qualität unterstützten.
Ruth Etienne Klemm
Zur
Entstehung innerer Bilder – Ein Überblick
Innere Bilder entstehen aus der Erfahrung, sind immer mit
Gefühlen verbunden und eng an Interaktionen geknüpft.
Die Fähigkeit des "Bilderns" ist dem Menschen angeboren
und beginnt bereits im Säuglingsalter. Daher hat das
Fernsehen nicht die Kraft, die Kinder "auszubildern", doch
trägt es eine hohe Verantwortung für unterstützende
und nicht behindernde Bilder.
Marjorie Taylor
Die
unsichtbaren Freunde der Kinder
Kinder erfinden Fantasiegefährten, die unterschiedlichste
Gestalten annehmen können. Sie können Kinder, Tiere,
Geister oder auch skurrile Figuren wie der Typ aus dem Metzgerladen
oder ein 106 Jahre alter Handlungsreisender sein. Kinder genießen
diese aktiven Als-ob-Spiele. Dabei erleiden sie keinen Realitätsverlust,
sondern bereichern ihren Alltag.
Norbert Neuß
Leerstellen
für die Fantasie in Kinderfilmen - Fernsehen und Rezeptionsästhetik
Fantasieräume werden nicht nur in Büchern, sondern
auch in der Kunst oder aber im Fernsehfilm geschaffen. Sie
entstehen in den Leerstellen, die Rezipient*innen zur Tätigkeit
anregen. Diese Leerstellen können zum Beispiel durch
Metaphern, Symbole, direkte Ansprache, Wir-Gemeinsamkeit oder
Fantasie-öffnende Fähigkeiten gezielt geschaffen
werden.
Maya Götz, Dafna Lemish, Amy Aidman,
Hyesung Moon
Kinderfantasien
und Fernsehen im mehrnationalen Vergleich
Über verschiedene Kulturen hinweg scheint es bei Kindern
ganz ähnliche Fantasiewelten und Wunschträume zu
geben. Fernsehen spielt in vielen Fantasien eine wichtige
Rolle, wobei nur bestimmte, für Kinder attraktive Teile
herausgebrochen werden. Sie dienen zur Symbolisierung von
Erfahrung, dem Selbstbild und ermöglichen Kommunikation.
PROGRAMM
Kinderfantasien und Programmgestaltung
Statements von Programverantwortlichen zum Verhältnis
von Fantasien und Kinderprogramm!
Ralf Gerhardt
Die
"Fantastische Filmfabrik" - TV-Geschichten von Kindern
In der "Fantastischen Filmfabrik", einer Aktion des Disney
Channels, schreiben Kinder selber die Geschichten. Es sind
starke Erzählungen, oftmals aus dem persönlichen
Umfeld der Kinder. Sie handeln von Erlebnissen des Alltags,
schrecken auch vor Konflikten nicht zurück, haben aber
immer ein harmonisches Happy End.
Dorothee Herrmann
Die
"Traumgeschichten"
Langjährige Erfahrungen mit der Verfilmung von konkreten
Kinderfantasien im Programm liegen beim ZDF-Kinderfernsehen
vor. In 160 Filmen von jeweils 3 bis 4 Minuten imaginierten
sich Kinder in Geschichten voller Stärke und von einer
besseren Welt.
Charlotte Cole
Stell
Dir vor!
Die "Sesamstraße" versucht bewusst, die Vorstellungskraft
der Kinder zu fördern. Sie bietet gezielte Freiräume
zur Anregung der Vorstellungskraft und von Als-ob-Spielen
und fordert zum kreativen Gandankenspielen auf.
PROGRAMMFORSCHUNG
Jan Uwe Rogge
Fantasie,
Emotion und Kognition in der "Sesamstraße"
Kinder haben eine magisch-fantastische Wirklichkeitsauffassung.
Sie mögen einfache und klare Geschichten, die märchenhafte
Elemente aufweisen, die sie mit ihrer Fantasie besetzen können.
In einer Rezeptionsuntersuchung zur Sesamstraße
fanden Kinder dies vor allem in den Muppet-Geschichten oder
der Figur Pepe. In einigen Einspielfilmen hingegen fühlten
Kinder sich nicht ernst genommen.
Die
Fachzeitschrift TELEVIZION kann kostenlos beim
IZI
bestellt werden.
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