IZI-Forschung
 
Forschungsschwerpunkt Trendforschung

>> Übersicht Forschungsschwerpunkt Trendforschung

 

Sprungbrett oder Krise? Das "Erlebnis Castingshow-Teilnahme"

Weltweit erstmalig wurden 59 ehemalige TeilnehmerInnen diverser Musik-Castingshows dazu befragt, wie sie das „Erlebnis Castingshow-Teilnahme“ im Nachhinein einschätzen. Die Befragten hatten in den letzten zwölf Jahren an einem in Deutschland ausgestrahlten Format teilgenommen und gaben nun rückblickend Auskunft.

Ergebnisse: Rund die Hälfte der Befragten sieht das „Erlebnis Castingshow-Teilnahme“ im Nachhinein eher positiv, viele haben gemischte Gefühle und für einige war es eine ausgesprochen negative Erfahrung.

  • Eine insgesamt sehr positive Erfahrung ist die Castingshow-Teilnahme für Profis, die die Show als Sprungbrett nutzen. Positiv war das „Erlebnis Castingshow-Teilnahme“ auch für Neuentdeckungen, die musikalisch fundiert ausgebildet durch die Castingshow einen ersten Einblick in die Medienwelt erhielten – der sie oftmals abschreckte, diesen Weg weiterzugehen. Deutlich ambivalenter schätzen im Nachhinein diejenigen die Teilnahme ein, die zunächst positiv, dann aber negativ dargestellt wurden (sogenannte abgewertete HoffnungsträgerInnen). Die öffentliche Diffamierung empfanden sie als schmerzhaft und ausgesprochen schwierig, gerade für ihre Familien. Zur dauerhaften Krise wurde das „Erlebnis Castingshow-Teilnahme“ für einige der KandidatInnen, die durch die Anforderungen während und nach der Produktion psychisch deutlich überfordert waren.
  • Bei denjenigen, die innerhalb der Castingshow zu unfähigen „Freaks“ inszeniert wurden, zeigen sich drei Varianten: Es gibt einige, die als heimliche KomplizInnen des Mediensystems an ihrer übertriebenen Stilisierung mitgearbeitet haben. Ihnen haben die Dreharbeiten viel Spaß gemacht, mit dem großen öffentlichen Aufsehen nach der Ausstrahlung haben sie allerdings nicht gerechnet. Dann gibt es diejenigen, die sich der Abwertung nicht bewusst sind, die Beschämung umdeuten und die öffentliche Aufmerksamkeit rund um ihre Person genießen. Problematisch wird das Leben nach der Ausstrahlung für die Bloßgestellten: Sie gingen naiv und mit großem Vertrauen in ihre eigene Besonderheit als Mensch in den Casting-Prozess. Doch anders als die Rückmeldungen während der Aufnahmen es erahnen ließen, wurden sie in der Fernsehsendung als besonders unfähig zur Schau gestellt. Sie müssen mit der Häme aus dem sozialen Umfeld leben – zum Teil noch Jahre nach dem „Erlebnis Castingshow-Teilnahme“.
Castingshows sind das Erfolgsgenre des letzten Jahrzehnts. Sie brauchen junge, unerfahrene Menschen als „menschliches Material“. Einige profitieren von der Teilnahme, andere tragen noch Jahre später schwer an den Folgen. Dies zeigt den dringenden Bedarf eines öffentlichen Diskurses um Qualität und Medienethik und wirft neue Fragen für den Jugendschutz (Landesmedienanstalten/ KJM) auf.

Literatur:
Götz, Maya; Bulla, Christine; Mendel, Caroline: Sprungbrett oder Krise? Das Erlebnis Castingshow-Teilnahme. Eine Befragung von ehemaligen TeilnehmerInnen an Musik-Castingshows. Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), Düsseldorf (Hrsg.). Düsseldorf: LfM 2013.