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>> Übersicht Zielgruppe 6/7 bis 13 Jahre
Wie gehen Kinder mit Schloss Einstein um?
Im Rahmen der Studie "Bedeutung von
Soap Operas im Alltag von Kindern und Jugendlichen" wurde
eine Teilstudie zur Kinder-Weekly Schloss Einstein durchgeführt.
Mit 392 Grundschulkindern wurde über die Serie in Gruppen
diskutiert und in Einzelinterviews 40 regelmäßige
Einstein- Seherinnen und -Seher befragt. Dieses empirische
Material ermöglicht qualitative Aussagen darüber,
was Kindern an Schloss Einstein gefällt, was es
für sie auf einer tieferliegenden Ebene bedeutet und
wie die Sendung unter Gleichaltrigen und in der Familie diskutiert
wird.
Die derzeitige Lieblingssendung
der Grundschulkinder ist Pokémon, Schloss Einstein
folgt mit viel Abstand auf dem 2. Platz
Eindeutig die Lieblingssendung ist Pokémon (RTL 2). In allen Klassenstufen, sowohl
bei den Jungen als auch bei den Mädchen, gaben die Kinder Pokémon als ihre Lieblingssendung an. Mit viel
Abstand folgen Schloss Einstein vor Gute Zeiten,
schlechte Zeiten und Big Brother.
Hohe Akzeptanz von Schloss Einstein
bei Kindern und Eltern
Bei Grundschulkindern und ihren Eltern
hat Schloss Einstein eine ausgesprochen hohe Akzeptanz.
In den Gruppendiskussionen äußerten sich fast alle
Kinder positiv zur Serie. Alle Kinder in den Einzelinterviews
gaben an, ihre Eltern würden Schloss Einstein gut finden und befürworten, dass sie die Serie sehen.
Damit unterscheidet sich Schloss Einstein in der Akzeptanz
deutlich von den Daily Soaps und Big Brother.
Das entscheidende Merkmal von Schloss
Einstein: Kinder spielen die Hauptrolle
Die Kinder nehmen Schloss Einstein als eine Sendung wahr, die gezielt für sie produziert
wurde. Das entscheidende Merkmal ist, dass Kinder die Hauptrollen
spielen. Wie die Einzelinterviews ergaben, sind die beliebtesten
Figuren Nadine und Oliver, gefolgt von Alexandra und Budhi.
Schloss Einstein macht Spaß
Kinder nehmen Schloss Einstein als eine Sendung wahr, bei der sie viel lachen können.
Das heißt, das ihnen besonders die witzigen Momente
der Serie Spaß machen. Überraschenderweise gehören
dazu nicht nur der Comedy-Strang, sondern auch viele relativ
unspektakuläre Szenen und kleine Geschichten, wie zum
Beispiel die, als Katharina den Budhi vor den Augen ihres
Vaters überraschend küsst. Über das "komische
Gesicht", das der Junge machte, lachten die Kinder noch Stunden
nach der Sendung.
Erste Liebe ist spannend, aber nur
in einer kindhaften Form. Konkretes um Sexualität passt
für Kinder nicht zu Schloss Einstein
Für Mädchen und Jungen ist
die Ergänzung der lustigen Szenen und des Abenteuerstrangs
mit erster Liebe etwas sehr Attraktives. Es sind jedoch ausgesprochen
kindhafte Zugänge zum Thema Erotik und Sexualität.
Sie sprachen vor allem die Szenen und kleinen Geschichten
mit romantischer Spannung über die aufregenden Momente
eines ersten Interesses aneinander an.
Kritische Anmerkung
Was Kinder bewegt, sind weniger konkrete Sachthemen (Zungenkuss,
Verhütung etc.). Dies holen sie sich, wenn es sie interessiert,
aus anderen Medien (Bravo, Mädchen etc.). Von
konkreten Themen zur Sexualität fühlen sich insbesondere
die Jüngeren unangenehm berührt.
Abenteuerstrang ist wichtig, steht
aber nicht im eigentlichen Mittelpunkt
Der Abenteuerstrang gehört zu
den "Basics" der Rezeption. Das heißt, die Spannung,
die die Kinder erleben, wenn eine Bombe oder ein Schatz gefunden
wird, ist für alle wichtig und ein offensichtliches Motiv,
die Sendung zu sehen. Auf tieferliegender Ebene stehen die
Abenteuer jedoch nur für einige ältere Grundschulkinder
(9 bis 10 Jahre) im Vordergrund.
Einzelne Figuren sind wichtig, sind
aber nur bei wenigen der eigentliche Grund, die Sendung zu
sehen
Für alle Kinder ist es wichtig,
dass Kinder und Jugendliche die Hauptrollen spielen. Für
einige wenige waren ganz spezielle Figuren der Hauptgrund,
die Sendung regelmäßig zu sehen. In diesen Fällen
sind es die Figuren Nadine (Mädchen 9 bis 10 Jahre) und
Oliver (Jungen 10 bis 12 Jahre), in denen die Kinder sich
wiederfinden und die sie sich als Vorbild nehmen.
Kritische Anmerkung
Ohne Frage sind die Figuren in Schloss Einstein gelungen
und typisieren eine größere Bandbreite an Charakteren,
als sonst in weiten Teilen des Kinderprogramms üblich.
Dennoch wäre an einigen Stellen die Erweiterung klassischer
Stereotypen, z.B. die Wissenschaftlerin (Alexandra), die Sozialkompetente
und Attraktive (Nadine), zu wünschen. Kinder nehmen diese
Stereotypen wahr, nutzen sie auch so wie sie sind. Aus pädagogischer
Perspektive wäre es jedoch zu wünschen, den Figuren
noch mehrere Variationen zuzugestehen und (Geschlechter-)Klischees
zu erweitern bzw. zu überwinden.
Schloss Einstein ist etwas Eigenes,
eine Welt, die nicht den Erwachsenen zugeordnet und nicht
mehr Kleinkinderprogramm ist.
Für einige ältere Grundschulkinder
(10 bis 11 Jahre) war Schloss Einstein vor allem deswegen
besonders bedeutsam, weil es ihnen eine eigene Welt bietet.
Die Eltern finden es gut, dass sie die Sendung sehen; sie
selbst sehen sich aber nicht unbedingt die Sendung mit an.
Die Kinder genießen es, dass Schloss Einstein keine Serie für "ganz Kleine" (genannt: Teletubbies),
keine ausschließliche "Witzesendung" (genannt: verschiedene
Zeichentrickangebote) und nicht nur Abenteuersendung (z.B. Pfefferkörner) ist. Es ist eine Serie, die die
Kinder als gezielt für ihre Altersgruppe produziert wahrnehmen
und die "einen Raum speziell für sie" bietet. Eingebunden
in den verlässlichen Kontext einer Kindermedienwelt haben
sie hier etwas, wo sie sich, mit dem Einverständnis der
Eltern, ihre konkreten jetzigen oder bald kommenden Alltagsprobleme
ansehen können.
Vom ästhetischen Stil bietet es eher den "Unauffälligen"
(Kinderwelten 2000) etwas. Die anderen (vor allem Mädchen)
finden sich hier eher im Umfeld von Gute Zeiten, schlechte
Zeiten wieder und geben diese Daily Soap als ihre Lieblingssendung
an, sehen aber trotzdem manchmal gerne Schloss Einstein.
Für die meisten Kinder ist
das "Grundsetting Internat" der eigentliche Grund, warum sie
sich für die Serie begeistern
Für die meisten der Kinder (von
6 bis 14 Jahren) ist das eigentliche Motiv, die Serie zu sehen,
das "Grundsetting Internat". Hier sind Kinder unter sich,
müssen gemeinsam ihre Probleme lösen und ihren Alltag
gestalten. Besonders der aufregende Schulalltag mit seinen
kleinen Szenen von Streichen und lustigen Situationen ist
das tieferliegende Moment, warum Kinder (schwerpunktmäßig
1. und 4. Klasse) sich für die Sendung begeistern. Besonders
willkommen sind Geschichten, in denen Kinder sich zusammenschließen
und dabei die Annäherung an das andere Geschlecht unauffällig
möglich wird. Andere Szenen, die Kinder begeistern, sind
diejenigen Sequenzen, in denen speziellen Kompetenzen (z.B.
Internet, Sport) bewiesen werden. Das Internatssetting, zum
Teil von den Kindern in den intertextuellen Kontext zu Harry
Potter und Hanni und Nanni gestellt, symbolisiert
ein Grundgefühl des Schulkinderalltags. Im Mittelpunkt
steht nicht mehr die Familie, sondern die Auseinandersetzung
unter Gleichaltrigen. Dabei sind die Kinder in ihren Problemen
und Erlebnissen auf sich selber gestellt. Erwachsene bieten
nur den Rahmen und sind manchmal selbst Anlass für Probleme;
vor allem aber sichern sie, dass keine wirklich verletzenden
Übergriffe möglich sind.
Mit welchen Phantasien und Träumen
ist Schloss Einstein verbunden?
Gelingende Freundschaft
Für viele ist Schloss Einstein mit dem Traum von
gelingender Freundschaft und Klassengemeinschaft verbunden.
Wichtig ist, dass die Kinder "nicht gleich prügeln",
sondern "das irgendwie wieder hinbekommen" und "eine Klasse
immer ganz doll zusammenhält". Schloss Einstein ordnen die Kinder als ein Medium ein, in dem gelingende Freundschaft
vorgelebt wird. In den Aussagen der Kinder wird deutlich,
dass die Sendung mit Gefühlen und Fantasien von Geborgenheit
und Integration verbunden ist.
Alles wird am Ende gut
Wichtig ist dabei, dass die Sendung nichts wirklich Schreckliches
zeigt. Aus der Perspektive der Kinder ist Schloss Einstein eine Sendung, die "nicht so Drama und Drogensucht" behandelt
und "kein Horror und so" gezeigt wird. In den Fantasien deutet
sich an, dass Schloss Einstein mit positiven Bildern
einer aufregendem, aber trotzdem zu bewältigenden Alltagswelt
verbunden ist.
Kritische Anmerkung
Die Szene, in der Aram verletzt wurde und Blut zu sehen war,
überschritt für jüngere Kinder diese Grenze.
Die Kinder von Schloss Einstein dürfen Abenteuer
erleben, auch mal in Gefahr sein. Blut und sichtbare Verletzungen
können vor allem die jüngeren Grundschulkinder erschrecken.
Probleme und Ängste kann man
angehen
Mehrere Kinder berichteten, sie würden häufig von Schloss Einstein träumen. Bewegende Szenen aus
der Serie werden hier mit eigenen Ängsten verbunden.
In den Träumen ist Schloss Einstein kein isolierter
Rückzugsraum, sondern ein Ort, an dem die Kinder ihre
Probleme mitnehmen und es ihnen - zumindest im Traum – gelingt,
einige Dinge positiv zu regeln. Häufiger bleiben die
Träume aber auch ohne angebahnte Lösung. Hier wäre
es zu wünschen, den Kindern noch mehr Problemlösestrategien
für die sie bewegenden Probleme im Bereich des Miteinander
unter Kindern (von anderen Jungen bedroht werden, ausgeschlossen
sein etc.) anzubieten.
Schloss Einstein trifft die Themen
der Kinder
Zusammenfassend lässt sich sagen,
dass Schloss Einstein die konkreten Themen der Kinder
trifft. Vor allem bestimmte Szenen (z.B. das Bremsen von Oliver
auf dem Fahrrad) und kleine Geschichten (Kinder schleichen
sich über den Boden heimlich in die bereits laufende
Schulstunde) sind Kindern wichtig. In bestimmten Handlungssträngen,
wie die Geschichte des Jungen oder Katharina, die von ihrem
Vater verlassen wird, gelang es der Serie, konkrete Kinderthemen
zu symbolisieren. Insofern ist Schloss Einstein nicht nur
Spaß, sondern bietet auch Räume für Fantasien
und bahnt einen aktiven Umgang mit Problemen an.
Resümee
Für Kinder ist das Wichtigste
bei Schloss Einstein, dass hier Kinder die Hauptrollen
spielen. Sie nehmen Schloss Einstein als eine Serie
wahr, die gezielt für sie produziert wurde. Zusammen
mit den Schloss Einstein-Schülerinnen und -Schülern
erleben sie Abenteuer und Schulalltag. Besonders die witzigen
Momente der Serie machen ihnen viel Spaß. Kinder finden
sich in Schloss Einstein mit ihren Themen wieder, fühlen
sich emotional geborgen und haben das Gefühl eines positiven
Gewinns für ihren Alltag. Während es in der Rezeption
von Gute Zeiten, schlechte Zeiten für Kinder und
Jugendliche eher um Vorbilder eines Lifestyles geht und bei Marienhof übergeordnete Ideale im Vordergrund
stehen, finden sie in Schloss Einstein ihre konkreten
Themen wieder. Dies eröffnet kindgemäße Fantasieräume;
bei Schloss Einstein sind dies Abenteuer und Spaß
im Alltag sowie gelingende Freundschaft. Damit liegt die Serie
von der Bedeutung für Kinder sehr viel dichter am Kinderfilm
als an der Daily Soap.
Projekt
Die vorliegende Zusammenfassung ist
das Ergebnis einer Teilstudie aus dem Forschungsprojekt
"Bedeutung
von Soap Operas im Alltag von Kindern und Jugendlichen"
Im Mittelpunkt des Gesamtprojektes
steht eine Befragung von 401 Kindern und Jugendlichen, die
regelmäßig Gute Zeiten, schlechte Zeiten, Marienhof, Verbotene Liebe, Unter Uns, Schloss Einstein und Big Brother sehen. In einem
Fragenkatalog werden Themenbereiche, wie Figuren und Inhalte
der Serien, die soziale Einbindung der Rezeptionssituation
in Familie und Alltag, Folgekommunikation sowie Fantasien
und Träume, die mit den Serien verbunden sind, abgefragt.
Die Formulierung der Fragen ist bewusst offen gehalten und
soll den Kindern und Jugendlichen Räume bieten, um ihre
jeweiligen Präferenzen und Perspektiven zu artikulieren.
Während die Jugendlichen (14 bis 19 Jahre) den Fragebogen
alleine ausfüllten, fand bei den Kindern (6 bis 9 Jahre)
und Pre-Teens (10 bis 13 Jahre) dies in Face-to-Face-Interviews
statt. Die Auswertung der Befragung findet auch quantifizierend
statt, der Schwerpunkt liegt jedoch in der qualitativen Auswertung.
Neben antwortvergleichend Auswertungen, geht es um die Herausarbeitung
der individuellen Bedeutungskonstitution, an der sich typische
Medienaneignungsmuster und Funktionen der Serien zeigen. Ergänzt
wird die Befragung durch Gruppendiskussionen in Grundschule,
Einzelfallstudien sowie Medienanalysen und Untersuchung zu
Soap-Fanclubs. Die Ergebnisse der Gesamtstudie wurden am 12.
Dezember 2000 auf der IZI-Tagung "Irgendwo zwischen Marienhof, GZSZ und Schloss Einstein: Fernsehen
für die 10- bis 15-Jährigen" in München vorgestellt
und zusammenfassend in der Fachzeitschrift TELEVIZION
(Heft 13/2000/2)
veröffentlicht.
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