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Aschenputtel aus Kindersicht: Eine Rezeptionsstudie zu drei Verfilmungen

In einer qualitativen Studie des IZI wurden 130 Kinder dabei gefilmt, wie sie die aktuelle ARD- oder ZDF-Verfilmung von Aschenputtel bzw. den DEFA-Klassiker Drei Haselnüsse für Aschenbrödel sahen und anschließend intensiv zu ihren Eindrücken befragt. Die übergreifende Auswertung ging der Frage nach: Was steht bei den jeweiligen Märchen im Vordergrund der Aufmerksamkeit bzw. was ist für die Kinder besonders interessant? Denn Kinder suchen nach Inhalten, an die sie mit ihren eigenen Themen anknüpfen können und die sie in ihrer Identitätsentwicklung weiterbringen. Durch die Möglichkeit, drei verschiedene Versionen des Märchens Aschenputtel zu vergleichen, besteht die Chance, das für die Kinder in der jeweiligen Verfilmung Spezifische herauszuarbeiten.

Ergebnisse: Alle drei Versionen kommen – bis auf einige tendenziell langweilige Stellen, in der erwachsene Nebenfiguren miteinander reden – sehr gut an und die Kinder haben Spaß bei der Rezeption. Jede Verfilmung hat dabei ganz eigene Facetten für Kinder. Bei aller Unterschiedlichkeit ist das Wichtigste für Kinder der gute Ausgang der Geschichte. Das Happy End zeigt Kindern, dass das Gute gesiegt hat. Märchen sind auch heute noch ein wertvolles Genre für Kinder und so können sie sich auch einiges aus Aschenputtel mitnehmen.
Bei Drei Haselnüsse für Aschenbrödel sind es vor allem die Szenen mit Tieren, die Kinder besonders begeistern. Während bei den Mädchen eindeutig Aschenbrödel und ihr Pferd ganz vorn liegen, ist bei den Jungen die geheimnisvolle Eule die Lieblingsfigur. Auch heute noch ist diese Verfilmung für Kinder attraktiv, denn die Protagonistin Aschenbrödel ist aktiv, kompetent und kein Opfer, das stillschweigend auf seinen Erlöser wartet. Aschenbrödel als Figur, insbesondere wenn sie auf ihrem Pferd reitet, steht für sich entwickelnde Selbstbestimmtheit und Hoffnung auf ein gutes (besseres) Leben. Bei der ZDF-Verfilmung fällt auf, wie intensiv die Kinder bei der Rezeption emotional mitleben. Kinderprotagonisten bieten ein hohes Potenzial für Kinder, sich gleich von Beginn an in die Geschichte einzufühlen. Die Geschichte erzählt diverse Identitätsthemen: Umgang mit Verlust oder der tiefe Wunsch, in seiner inneren Schönheit als Individuum erkannt zu werden. Zudem gibt es in dieser Aschenputtel-Version einige spannungsreiche Szenen zum Mitfiebern. Bei Jüngeren kann es dabei zu Momenten der Ängstigung kommen, aber auch zum lauten Anfeuern der ProtagonistInnen.
Bei der ARD-Verfilmung werden von den Kindern vor allem humorvolle Szenen und moderne Elemente geschätzt, die an ihre Sehgewohnheiten anschließen. Sie genießen die Geschichte, die sich mit Moral, Gut und Böse auseinandersetzt, in der sich die selbstbewusste Heldin ihr Ziel hart erarbeitet und in der am Ende alles gut ausgeht.
Am Beispiel der drei Märchenverfilmungen zeigt die Studie, dass Märchen für Kinder ein Spiegel ihrer Entwicklung und ihres Alltagslebens sind. Sie erkennen sich teilweise in den Protagonistinnen wieder, können mit ihnen mitbangen, mitleiden und mithoffen. Aschenputtel ist eine Geschichte, die Kinder Wege der Bewältigung mitgibt und zeigt, dass sie eine innere Widerstandskraft, eine Stärke haben, die ihnen Erwachsene und Eltern vielleicht nicht zugetraut haben oder vielleicht einfach übersehen. Außerdem vermittelt das Märchen die Botschaft, dass es immer ein Ende gibt, das aktiv bewirkt werden kann, wenn man von sich aus tätig wird und seinen Werten treu bleibt.

Literatur:
Holler, Andrea: "Dass sie nie aufgibt und dann versucht weiterzumachen". Aschenputtel aus Kindersicht: Eine Rezeptionsstudie zu 3 Verfilmungen. TelevIZIon, 29/2016/1, S. 42-47.