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Der Einfluss der Vertonung auf die Rezeption

Ein junger Bär klettert auf einen Baum und fällt herunter; ein Föhn richtet sich auf einen Schokoladenhasen, in Nahaufnahme schmelzen dessen Schnauze und Kopf; die Gesichter eines weißen und eines farbigen Kindes nähern sich an, bei der Berührung der Stirn wechselt die Farbe (I get yours, you get mine). Für die IZI-Studie „Wie beeinflusst die Vertonung die Geschichte?“ wurden die kurzen Videosegmente mit unterschiedlichem Ton unterlegt und über 500 Kindern aus 32 Ländern gezeigt. Es wurde untersucht, wie die Kinder auf die unterschiedlichen Vertonungen reagieren. Dazu wurden die Reaktionen per Videokamera aufgezeichnet und in Feinanalysen ausgewertet. Diese quasi-experimentelle Versuchsreihe zeigt, welche Bedeutung der Vertonung zukommen kann. Sie kann zum einen die angelegte Bedeutung zusätzlich verstärken und damit einen Teil der Kinder in eine Lesart „zwingen“. Begleitende oder auch bildkontrastierende Musik wiederum eröffnet – z. B. beim Clip über den Schokoladenhasen – Freiräume zum Kommentieren und zum humoristischen Umgang mit dem ansonsten für Kinder eher tragischen Bildinhalt.
Mit Blick auf die Einschränkungen und die Notwendigkeit von weiteren Studien in diese Richtung lassen sich dennoch folgende Hypothesen zum Bild-Ton-Verhältnis formulieren:

  • Ist das Bild bereits bedeutungstragend und wird dies in der Vertonung zusätzlich verstärkt, kann es Kindern eine bestimmte Rezeptionshaltung aufdrängen (z. B. Schokoladenhase mit dramatischer Originalmusik).
  • Werden bedeutungstragende Bilder begleitend vertont, entstehen mehr Freiräume, die Kinder z. B. zum Artikulieren ihrer Körpergefühle und Gedanken anregen, ohne dass sie den gemeinten Sinn dabei umdeuten (z. B. Schokoladenhase mit begleitender Musik).
  • Gibt die Vertonung eine für Kinder gut einzuordnende Interpretationsrichtung, kann sie die Kontextualisierung der Bilder bestimmen und den Bildinhalt unterlaufen. Es entstehen diverse Freiräume für ausgehandelte Lesarten oder sogar Gegenlesarten (z. B. Schokoladenhase mit lustiger Musik). Ein an sich eher tragisches Ereignis wird durch lustige Musik zum lustvollen Ereignis, da es eine ironische Distanz erlaubt.
  • Bei tendenziell bedeutungsoffeneren Bildern wird dies noch deutlicher und die Vertonung bestimmt die Deutungsrichtung (z. B. I get yours, you get mine mit mysteriöser bzw. romantischer Musik).

Der Ton prägt die Bedeutungskontextualisierung. Die Vertonung „primet“ die Bildverarbeitung und Deutung in eine bestimmte Richtung. Im Sinne der Qualitätsförderung betonen die Ergebnisse dieser Studienreihe noch einmal die Notwendigkeit eines achtsamen Umgangs mit der Vertonung bezüglich der Tonalität aber auch der Intensität.

Literatur:
Götz, Maya; Schwarz, Judith; Mendel, Caroline; Stukanova, Anastasia: Man fühlt, was man hört. Die Bedeutung der Vertonung für die Deutung von Bildern. In: Televizion, 25/2012/2, S. 25-29.
Bulla, Christine; Götz, Maya: Wenn der Klingelbusch 3-mal unterschiedlich klingelt. Ein Rezeptionsexperiment mit unterschiedlicher musikalischer Vertonung. In: Televizion, 24/2011/1, S. 42-45.